Nachtragsmanagement ist fehlgeschlagenes Vertragsmanagement
Grundlagen der Nachtragserstellung
Eine Änderung am Bausoll lässt sich auch nach einer guten Planungs- und Vorbereitungsphase im späteren Bauzustand nicht vermeiden. Umso wichtiger ist es also, dass die Parteien das Regelwerk verstehen und wissen, in welcher Art sich die Äquivalenzstörungen aus Leistung und Gegenleistung fortschreiben.
Als Bauherr kann man sich diesbezüglich bereits frühzeitig entsprechend dem Leitfaden "strategische Vergabe von Claim-Management Leistungen für Auftraggeber" in der Planungsphase unterstützen lassen. Als Unternehmer hingegen wird man oftmals vor vollendete Tatsachen gestellt, und hat auf die "Rahmenbedingungen" des Vertrags lediglich den Einfluss, die zusätzlichen und besonderen Vertragsbedingungen zur Angebotsabgabe mit in den Angebotspreis "einzukalkulieren".
Darüber, wie jedoch die verkehrsüblichen Rechte und Pflichten aussehen, sofern es um die Nachtragserstellung geht, sind die meisten Unternehmer kaum aufgeklärt. Größtenteils werden enttäuschende Erfahrungen in Zusammenarbeit mit Architekten gesammelt, welche die Nachträge prüfen und korrigieren.
Der Architekt wendet als Bauherrenvertreter damit in der Regel die für den Unternehmer ungünstigste Auslegung der Regelwerke an. Da die VOB/B sowie das im BGB allerdings ein ausgewogenes Regelwerk zwischen Bauunternehmer und Bauherr darstellen soll, sollten Bauunternehmer auch die Vorzüge dieses Regelwerks kennen und anwenden lernen.
Um nur einige Grundzüge in der Nachtragsbearbeitung und -erstellung zu benennen, enthält dieser Blog-Beitrag die Eckpfeiler, die jeder Unternehmer für seine Nachtragsbearbeitung berücksichtigen sollte.
Der Sachnachtrag
Sachnachträge stellen Änderungen in der Qualität der Ausführung dar. Sie sind auf den Ausführungsgegenstand gerichtet.
Sofern die Umstände der Herstellung geändert werden, betrifft dies oft die baubetrieblichen Nachträge.
Beispiel:
Die Änderung von "grundierten Profilen" zu "Edelstahlprofilen" ist eine Änderung der Sache und ist somit nach nebenstehender Übersicht zu bewerten. Wird die Bauzeit verändert, betrifft dies den Baubetrieb und ist meist weitaus komplexer in der Bearbeitung.
Jedoch auch bei Sachnachträgen sind, ergänzend um das neue Bauvertragsrecht, eine Vielzahl an Bestimmungen vorliegend, welche zugunsten des Unternehmers wirken.
Die Anordnung
Der Bauherr verfügt gem. §§ 1 Abs. 3, 1 Abs. 4 VOB/B nicht nur über ein Anordnungsrecht, sondern auch über eine Anordnungspflicht. Möchte er also das Bausoll modifizieren, muss dies schriftlich vom Bauherren oder dem dafür Handlungsbevollmächtigten angeordnet werden. Die übliche Architektenvollmacht erstreckt sich dabei lediglich auf technische Fragestellungen und hört auf, wo die Änderungen Geld kosten. Daher ist es durchaus ratsam für jeden Bauunternehmer sich die gewünschte Änderung auch schriftlich eindeutig erklären zu lassen und selbst auf die Mehrkosten hinzuweisen.
1) Formelle Anordnung vor Ausführung durch Handlungsbevollmächtigten einholen
Die Nachtragsunterlage
Sofern der Bauherr die Anordnung auf zusätzliche oder geänderte Leistung getroffen hat, stellt sich die Frage der Komplexität der Änderung. Die gelebte Praxis ist, dass der bauleitende Architekt ein Begehren stellt, der Unternehmer eine Planung und Leistungsverzeichnis erstellt, welche dem Architekten inkl. einem Preisangebot übermittelt wird. Folgend wird dieser "Vorschlag" dann mit dem Bauherren besprochen und entweder unter Kürzung des Angebotspreises angenommen oder gar gänzlich abgelehnt.
Da jedoch in dieser Situation lediglich der Bauherr ein Begehren hat, stellt sich nun die Frage ob der Unternehmer diesen "Aufwand" betreiben muss. Die Antwort ist eindeutig: Nein!
Es gilt bei nachtäglichen Änderungen, dass der Unternehmer gem. VOB/B dazu verpflichtet ist, die geänderte und oder zusätzliche Leistung welche der Bauherr anordnet, auszuführen, sofern sein Betrieb auf die Arbeiten eingerichtet ist. Regelmäßig wird jedoch keine Planungsleistung durch den Unternehmer geschuldet. Dies bedeutet, dass ein Unternehmer von Seiten des Auftraggebers eine ausführungsreife Planung inkl. einem Leistungsverzeichnis erwarten kann, um diese Leistung anzubieten. Schlussendlich ist dies die Anordnung und der Wille des Bauherren, die es zu formulieren gilt. Sofern diesbezüglich Aufwendungen auf freiwilliger Basis erbracht werden, ist es wichtig dass:
2) Die Planungshaftung für die Nachtragsleistung bei dem planenden Architekten verbleibt
3) Die Mehrkosten für Planungsleistung und Nachtragserstellung im Vorfeld angemeldet werden
4) Erstellte Planung- und LV's als geistiges Eigentum vorbehalten zur Vermeidung der Weitergabe an Dritte
Die formellen Nachtragsbestimmungen
Insbesondere in den unsicheren Zeiten des Ukraine-Kriegs und einem hoch volatilen Materialpreiseinkauf stellt sich die Frage inwieweit Risiken auf Auftragnehmerseite reduzieren lassen.
5) Die Angebotsgültigkeit begrenzen
6) Die Mehrkosten aus ggf. verlängerten Bauzeiten vorbehalten
7) Vorbehalt auf Einkaufskonditionsänderungen aufgrund des Ukraine-Kriegs
Die inhaltliche Berechnungsmethodik
Die VOB/B hat seinerzeit die Fortschreibung der torkalkulatorischen Preisvereinbarung verlangt. Dies war bekannt unter der Korbionischen Formel:
"Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis"
Dieser Grundsatz wurde zumindest in Bezug auf den § 2 Abs. 3 VOB/B mit Urteil vom 08.08.2019 - VII ZR 34/18 gekippt. Die Entscheidung hat derzeit eine Strahlkraft auf die §§ 2 Abs. 5, 6 VOB/B für geänderte und zusätzliche Leistungen, welche unter dem gesetzlichen Leitbild der "tatsächlich erforderlichen Kosten" zzgl. angemessener Zuschläge in diesem Zusammenhang durch die Rechtsprechung neu zu bewerten sind.
Die VOB stellt in Gänze zwar eine "privilegierte AGB" dar und fällt somit nicht unter die AGB Prüfung gem. § 305 BGB, jedoch ist diese in den wenigsten Fällen ohne Änderung vereinbart. Daraus folgt, dass gem. dem gesetzlichen Leitbild die Bestimmungen zu prüfen sind. Mit der Einführung des Bauvertragsrechts im BGB unter den § 650 ff. sind damit gesetzliche Leitbilder entstanden unter welchen nun die Gesetzgebung die AGB's der VOB in ihrer geltenden Art und Umfang neu zu bewerten hat.
Wichtig für die Nachträge ist hierbei, dass gem. gesetzlichem Leitbild unter § 650 c BGB der Unternehmer das Wahlrecht zum Nachweis der Kosten gem. der Entwicklung aus den Vertragspreisen oder der tatsächlich erforderlichen Kosten hat. Sofern die Kosten aus dem Vertrag entwickelt werden, unterliegt diesen die Vermutungswirkung, dass diese den tatsächlich erforderlichen Kosten entsprechen.
Eine Festlegung wie nun "tatsächlich erforderliche Kosten" unter der Vertragspreisbildung der §§ 2 Abs. 5, 2 Abs. 6 VOB/B zu verstehen sind, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Eine Vermutung lässt jedoch das o.g. Urteil vom BGH zum 08.08.2019 zu, wonach die "tatsächlich erforderlichen Kosten" den Rechnungsnachweisen inkl. vertraglicher / üblicher Zuschläge zu verstehen ist. Hierzu gibt es allerdings viele kritische Meinungen unter dem verweis es müsste eine Berechnung wie folgt angestrebt werden:
Tatsächlich hypothetische Kosten
- tatsächliche Kosten
Tatsächlich erforderliche Kosten
Die tatsächlich hypothetischen Kosten, sind bislang in Baurecht und Baubetrieb umstritten, sollen jedoch im Grunde die hypothetischen Herstellungskosten zur Angebotsabgabe darstellen.
8) Wahlrecht des Unternehmers auf tatsächlich erforderliche Kosten / Fortschreibung der Vertragspreise
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