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Die Stoffpreisgleitklausel VHB 225


Stärkster Preisanstieg bei einzelnen Baumaterialien seit Beginn der Erhebung - Pressemitteilung Nr. N 006 vom 10. Februar 2022, Destatis


 


Entwicklung


Über die vergangenen Jahre hat sich eine Unsicherheit in der Beschaffung von Baumaterialien eingestellt. Dieses Phänomen ist nicht unbekannt und hat partiell bereits in der Vergangenheit Einfluss auf die Bauindustrie genommen. In den 70er-Jahren hat bereits eine Stahlpreisexplosion stattgefunden und die Gerichte haben Ansprüche aus Preissteigerungen stets abgelehnt (BGH, Urteil vom 08.02.1978 - VIII ZR 221/76). Im Vergleich zu damals war jedoch die Entwicklung, die zu den heutigen Preisexplosionen führte, nicht vorhersehbar. Inwiefern sich dies auf die Rechtsprechung auswirkt bleibt abzuwarten.


Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung, und Bauwesen hat jedenfalls hierzu präventiv, und wohl auch um eine Beschaffung sicherzustellen, einen Erlass für Projekte auf Bundesebene am 25.03.2022 erlassen, in dem der derzeitigen Lage vorgebeugt werden soll.


Diesen für Städte und Kommunen lediglich mit empfehlenden Charakter zu verstehenden Erlass haben viele Bauherren und Planer jedoch zum Anlass genommen, sich mit den Möglichkeiten einer Stoffpreisgleitklausel auseinanderzusetzen.



Theorie



VHB Auszug 225

Sofern nichts anderweitiges in den Verträgen geregelt wird, trägt der Bieter das Beschaffungsrisiko für die angebotenen Preise. Diese setzen sich aus Lohn- / Geräte- / Stoff- und Sonstigen-Kosten zusammen. Da das Risiko der Beschaffung aufgrund der explosionsartigen Preisentwicklung nun für viele Bieter ein großes Risiko darstellte, haben diese entweder keine Angebote oder großzügige Sicherheiten eingerechnet. In beiden Fällen führt dies zu unerfreulichen Submissionsergebnissen.


Um nun einen für beide Seiten ausgewogenen Vertrag zu gestalten sind daher viele Auftraggeber und Planer bemüht, eben dieses Beschaffungsrisiko, auch im eigenen Interesse um wirtschaftliche Angebote zu erhalten, aus der Verantwortung der Unternehmer zu entnehmen und die Materialpreise "flexibel" je nach Entwicklung zu gestalten. Die übrigen Anteile (Lohn / Geräte / Sonstige) sind gemäß Angebot weiterhin als Festpreise vereinbart.


Auch gem. Vergabe und Vertragshandbuch's für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB) wurden in der Theorie diese Möglichkeit berücksichtigt. Das Formblatt VHB 225 soll eben der oben genannten Problematik Abhilfe verschaffen.



Problematik Anwendung


In der Umsetzung gibt es viele Hürden. Die meisten Planer und Projektsteuerer haben keine praktische Erfahrung in der Umsetzung der Stoffpreisgleitklausel. Für die Fachplanungen ergibt sich mit der Aufgabenstellung auch eine zusätzliche Aufgabe, welche ggf. eine besondere Leistung begründet. Insbesondere die folgenden Leistungen können Mehrkostenansprüche von Architekten und Fachplanern auslösen:


- Prüfen und Erarbeiten der Stoffe, die für eine Stoffpreisgleitung in Frage kommen

- Massenermittlung der Stoffe

- Bestimmung des Basiswerts 1

- Integration der erarbeiteten Grundlagen in das Formblatt VHB 225

- erforderliche Auswertung von Nebenangeboten

- Abrechnung der Stoffpreisgleitung


Das bedeutet, dass die erste "Hürde", die es im Zusammenhang mit der Stoffpreisgleitklausel zu meistern gilt, zunächst die Einigkeit über die Ausarbeitung und Verantwortung ist.


Sofern auf Fachplanungsebene eine klare Formulierung der Aufgaben besteht, müssen die fachlichen Grundlagen des Formblatts 225 so ausgestaltet werden, dass es für die Baumaßnahmen skalierbar und für den Bieter verständlich bleibt.


Der Basiswert 1 stellt zunächst unverändert den realen Stoffpreis zum Zeitpunkt der Versendung der Vergabeunterlagen dar, den der Auftraggeber aus dem arithmetischen Mittel von Angeboten dreier einschlägiger Lieferanten ermitteln soll. Dies stellt sich für die Vielzahl an Stoffen einen enormen Aufwand dar, wobei die Ergebnisse oftmals ebenso intransparent bleiben.


Dieser Basiswert 1 wird anschließend vielmals fortgeschrieben, zunächst auf den Basiswert 2 zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung und danach auf den Basiswert 3, der zum Abrechnungszeitpunkt maßgebend ist. Die Fortschreibung zum Basiswert 3 würde sich zu jeder einzelnen Abrechnung wiederholen. Hierzu würden sich somit zu jeder Abschlagsrechnung neue EP's für jede Stoffpreisgleitklausel eines jeden LV's bilden. Der bürokratische Aufwand, der damit verbunden ist, stellt sich als enorm dar. Zudem ist der Wert dann lediglich mit der zum Abrechnungszeitpunkt relevanten Indexierung bestimmt, jedoch nicht zum Zeitpunkt der Beschaffung was insbesondere bei Großprojekten und Stahlbetonarbeiten für welche genau diese Massen anfallen Wochen oder Monate auseinander liegen können.



Praktischer Anwendungsvorschlag


Da die Stoffpreisgleitklausel lediglich für Projekte des Bundes als verpflichtende Vorgabe bis Ende des Jahres zu vereinbaren ist und für Städte und Kommunen wie bereits beschrieben lediglich empfehlenden Charakter hat, können diese Ihre Regelungen selbst bestimmen und die o.g. Problematik für Bieter / Unternehmer / Fachplaner / Bauherr vereinfachen.


Die Absicht, die verfolgt wird, sollte immer noch die Risikoverteilung der unvorhersehbaren Stoffpreissteigerung sein.



VHB Auszug EFB 223

Anhand des EFB 223 Blattes können die Stoffpreise gesondert für entsprechende Positionen von Seiten der Bieter ausgewiesen werden. Somit kann für Stoffe, die Einfluss in das VHB 225 Blatt finden, eine Urkalkulatorischer Auszug in der Vergabe eingefordert werden.


Die kalkulierten Stoffanteile der EP's können flexibel fortgeschrieben werden. Dies kann z.B. Geschossweise, Bauteilsweise, entsprechend LV-Titeln oder Quartalsweise erfolgen. Die Festlegung der Abschnitte kann somit sinnvoll eigenverantwortlich und im Interesse beider Parteien transparent gestaltet werden. Der Maßstab auf welchem die Stoffe dann fortgeschrieben werden bliebe weiterhin die Entwicklung der Fachserie 17 Reihe 2 Auszug.


Man würde für den Stoffpreis den Basiswert 1 sozusagen nicht der Höhe nach ermitteln, sondern weiterhin den Bieter anbieten lassen. Die Entwicklung in Prozent ergibt sich damit aus der folgenden Differenz:


Auszug Fachserie 17 Reihe 2 - Statistisches Bundesamt für Baupreise

Indexpunkte Fachserie 17 Reihe 2 zum Zeitpunkt und Festsetzung des Basiswerts 1

Abzüglich: Indexpunkte Fachserie 17 Reihe 2 zum Zeitpunkt Fortschreibung (Geschoss, Bauteil etc.)


= Indexentwicklung Prozentual



Mit der ermittelten Differenz können die Stoffpreise gem. EFB 223 logisch zu neuen EP's fortgeschrieben werden die bis zum Ende der Abrechnungseinheit (Geschoss, Bauteil etc.) Gültigkeit besitzen.


Das Risiko ist somit für den Ausführungszeitraum der Bauabschnitte in der Verantwortung der Unternehmer. Einer Langzeitentwicklung und somit einem übermäßigem Risiko auf Unternehmerseite wird vorgebeugt.


Dies kann zur Entspannung von Spekulationsangeboten führen und die Beschaffung proaktiv fördern.





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