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Die tatsächlich erforderlichen Kosten §650c BGB

Aktualisiert: 25. Aug. 2023



Wie sind Nachträge nach BGB zu kalkulieren? Erfahren Sie hier praxisnah vom Experten Ing. Adreon P. Leipold, LL.M., auf was es ankommt. Seine ausführlichen Erläuterungen mit weiteren Praxisbeispielen finden Sie im BGB und VOB Kommentar.


Nachtragsberechnung nach BGB

Insgesamt eröffnet der § 650c BGB dem Unternehmer zwei Methoden zur Nachtragsberechnung:

  1. die Ermittlung der tatsächlich erforderlichen Kosten nach § 650c Abs. 1 BGB

  2. die Fortschreibung der Urkalkulation nach § 650c Abs. 2 BGB (Vorkalkulatorik)

Der Unternehmer hat augenscheinlich gemäß § 650c BGB ein Wahlrecht zwischen den beiden oben genannten Berechnungsansätzen. Eingeschränkt wird das Wahlrecht jedoch dadurch, dass die getroffene Wahl für den Unternehmer für einen in sich abgeschlossenen Nachtrag bindend ist und nicht beide Methoden innerhalb desselben Nachtrags vermengt werden dürfen.


Weiterhin ist die Wahl der „Fortschreibung der Urkalkulation“ nur möglich, sofern vor Auftragserteilung eine Urkalkulation hinterlegt wurde, die herangezogen werden kann. Der Rückgriff auf eine hinterlegte Urkalkulation gemäß § 650c Abs. 2 BGB trägt die Vermutungswirkung inne, dass die dort aufgeführten Ansätze den tatsächlich erforderlichen Kosten entsprechen. Der Bauherr hat dann die Möglichkeit, zu beweisen, dass die tatsächlich erforderlichen Kosten hiervon abweichen. Über beide Berechnungsmethoden sollen im Ergebnis somit die „tatsächlich erforderlichen Kosten“ ermittelt werden.


Ein falscher Rückschluss läge vor, sofern man aufgrund des Wahlrechts annehmen würde, dass Abs. 2 (Fortschreibung der Urkalkulation) die Möglichkeit bietet, weiterhin gemäß den Bestimmungen der „Vorkalkulatorik“ den Berechnungsansatz nach Korbion („guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“) anzuwenden. Mit Abs. 2 sollen lediglich die Abrechnungen, welche sich nach § 650c BGB Abs. 1 als unpraktikabel herausstellen, vereinfacht werden (BT-Drucks. 18/8486).


Dogmatisch gesehen, wird somit über beide Wege der Wert für die tatsächlich erforderlichen Kosten bestimmt und nicht etwa die „Vorkalkulatorik“ der VOB/B in die Bestimmungen des BGB als Wahlmethode aufgenommen.


Praxistipp

  • Trotz dem augenscheinlichen Wahlrecht zwischen zwei Berechnungsmethoden aus § 650c Abs. 1 und 2 BGB sind stets die „tatsächlich erforderlichen Kosten“ zu bestimmen.

  • Vereinfacht wird der Nachweis damit, dass der Urkalkulation eine widerlegbare Vermutungswirkung zugesprochen wird.


Baubetriebliche Grundlagen

Im Claim- und Anti-Claim-Management nehmen daher die „tatsächlich erforderlichen Kosten“ eine zentrale Rolle ein.


Da die „tatsächlich erforderlichen Kosten“ erst seit Einführung des neuen Bauvertragsrechts zum 01.01.2018 mit dem § 650c BGB gelten, liegt keine ausreichende juristische wie baubetriebliche Datenlage vor, um alle baubetrieblichen Fallkonstellationen einer bestimmten baubetrieblichen Berechnungsmethodik zuzuordnen. Die Interpretationen, sowohl juristisch über die Begriffsauslegung als auch technisch über den baubetrieblichen Nachweis, scheiden sich derzeit.


Die „richtige“ Wahl der Berechnungsmethode kann sich jedoch in nicht unerheblichem Ausmaß auf die Höhe der Nachtragsforderung auswirken. Grundsätzlich werden jedoch für alle Berechnungsmethoden die gleichen baubetrieblichen Grundlagen zur Preisbildung herangezogen.


Systemische Ermittlung von „tatsächlich erforderlichen Kosten“

Grundlage der sich derzeit durchgesetzten Theorie ist der Gedanke, dass der Einschub „erforderlich“ sich auf die Bestimmungen der Preisermittlung gemäß § 632 Abs. 2 BGB zurückführen lässt.


Der Begriff „tatsächliche Kosten“ kommt aus baubetrieblicher Sicht dem Verständnis von „Selbstkostenerstattung“ gleich und ist durch den Zusatz „erforderlich“ klar davon abzugrenzen. Vielmehr wird hierdurch deutlich, dass die Grundlage der Kostenberechnung dadurch abstrakt zu verstehen ist und keine Realkosten beleuchtet werden.

Die Ermittlung von „tatsächlich erforderlichen Kosten“ wird damit unter zwei Szenarien zu beleuchten sein:

  1. zusätzliche Leistungen

  • ex ante (Angebotsberechnung vor Ausführung)

  • ex post (Angebotsberechnung nach Ausführung)

2. geänderte Leistungen

  • ex ante (Angebotsberechnung vor Ausführung)

  • ex post (Angebotsberechnung nach Ausführung)


Aus baubetrieblicher Sicht ist die herrschende Meinung, dass sich die „tatsächlich erforderlichen Kosten“ wie folgt darstellen lassen:


 

hypothetisch tatsächlich erforderliche Kosten (unveränderte Leistung)

– tatsächlich erforderliche Kosten (geänderte, zusätzliche Leistung)

= Minder- bzw. Mehrkosten

 

Durch diese Betrachtung entfällt ein Bezug zu Vertragspreisen und/oder Einkaufspreisen, auch wenn diese die tatsächlich erforderlichen Kosten darstellen können. Es wird vielmehr versucht, den Vertrag, so wie er geschlossen wurde, durch die Änderung nicht zu beeinträchtigen, um mit dieser Methode Vergabegewinne bzw. Vergabeverluste voll beizubehalten.


Praxisbeispiel

Der Auftraggeber hat einen Einheitspreis mit 16 € angeboten. Die tatsächlich erforderlichen Kosten betragen jedoch lediglich 13 € (Auszug aus z.B. Baupreislexikon). Es wäre somit ein „guter Preis“ für den Unternehmer. Nach Änderungsanordnung durch den Bauherrn betragen die Leistungen gemäß tatsächlich erforderlicher Kosten (geändert) gemäß Auszug aus dem Baupreislexikon 20 €.

Damit ergeben sich folgende Kostenbestandteile:

  • vertraglicher Einheitspreis: 16 €

  • tatsächlich erforderliche Kosten (hypothetisch): 13 €

  • tatsächlich erforderliche Kosten (geändert): 20 €

Die tatsächlich erforderlichen Kosten der Mehrvergütung lassen sich damit wie folgt bestimmen:

tatsächlich erforderliche Kosten: 20 €

– hypothetisch erforderliche Kosten: 13 €

= Mehrvergütung: 7 €

neuer Einheitspreis: 16 € + 7 € = 23 €


Baubetriebliche Ermittlung von „tatsächlich erforderlichen Kosten“

Großes Konfliktpotenzial zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern kann damit bei der Bestimmung von Kostenkennwerten entstehen. Die zuvor benannten „hypothetisch erforderlichen Kosten“ und die „tatsächlich erforderlichen Kosten“ haben wir systemisch subtrahiert und daraus die Mehr-/Mindervergütung abgebildet.


Als Möglichkeit zur Bestimmung beider „tatsächlich erforderlicher Kosten“ (vor Änderung/nach Änderung) stehen baubetrieblich einige Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Kostenkennwertdatenbanken für Bauleistungen (Stoff/Lohn/Geräte etc.)

  • Rechnungsnachweis

  • Vergleichsangebote

  • Zeitwertmessungen für Leistung „verändert“/„unverändert“

  • Bestellung eines Sachverständigen für Baupreisermittlung

Zur Bestimmung der vorgenannten Werte gibt es derzeit keine Gewissheit über Verfahrensmethoden, welche unstreitig anzuerkennen sind. Analog den Streitpotenzialen der VOB/B-Bestimmungen werden auch die „tatsächlich erforderlichen Kosten“ zu unterschiedlichen Auffassungen in der Ausführung führen.


Es empfiehlt sich daher, dass sich beide Vertragsparteien vor der Ausführung (ex ante) darüber verständigen, über welchen Weg Preise zu bilden sind, sodass sich nach der Ausführung (ex post) die Parteien nicht die für sie geeignete Auslegung aneignen und damit das Streitpotenzial vergrößern.


Praxistipp

Zur Durchführung einer baubetrieblichen Nachtragsberechnung anhand von „tatsächlich erforderlichen Kosten“ ist es unerlässlich, die Marktüblichkeit von Preisen transparent und auf einer Datengrundlage sichtbar zu machen. Hierfür eignen sich z.B. Kostendatenbanken, welche Aufschluss über Baupreise geben.


Vergabegewinne und Vergabeverluste sollen für den unveränderten Vertragsteil in der kalkulierten Höhe gemäß dem Vertrag erhalten bleiben und nicht durch die Änderung beeinflusst werden.


Die Vergütungshöhe des Unternehmers bestimmt sich nicht durch entstandene Kosten (Realkosten), sondern nach Maßstab des „ortsüblichen angemessenen“ Kostenerfordernisses. Die Mehr-/Minderkosten gegenüber diesen Kosten kommen dem Unternehmer zugute oder sind durch ihn zu tragen.


Quelle:

https://www.linkedin.com/pulse/kalkulation-der-nachtr%2525C3%2525A4ge-nach-bgb-bau-weka%3FtrackingId=ii8plRuHSdGNkzFDohzXMA%253D%253D/?trackingId=ii8plRuHSdGNkzFDohzXMA%3D%3D

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