top of page

Ein Leitfaden zur strategischen Vergabe von Claim-Management Leistungen für Auftraggeber


Die Kunst Pläne zu machen, besteht darin, den Schwierigkeiten Ihrer Ausführung zuvorzukommen." - Thomas Carlyle

Ein Überblick und Abgrenzung

"Das Nachtrags- oder Claim-Management ist Aufgabe des Architekten" würden nun viele Stimmen behaupten und in Teilen stimmt dies auch. Die Grenzen verlaufen jedoch fließend und es ist sinnvoll, sich im Vorfeld zur Vergabestrategie der Nachtrags- und Claim-Management-Leistungen Gedanken zu machen. Im Folgenden wird eine Abgrenzung der Grundleistungen der Architekten / Ingenieure gem. HOAI vorgenommen.


Sofern der Architekt mit den Grundleistungen der HOAI voll beauftragt ist, kann davon ausgegangen werden, dass alle Leistungen, welche zum Werkerfolg führen, komplett enthalten sind. So auch die "übliche" Bearbeitung und Abwicklung von Nachträgen.


Sofern nun aufgrund besonderer Umstände im Projekt weitere, so genannte besondere Leistungen gem. HOAI anfallen, sind diese gesondert zu beauftragen. Dies betrifft z.B. baubetrieblich begründete Nachtrage. Deutlich wird dies in der besonderen Leistung der LPH 07 HOAI:


"Mitwirken bei der Prüfung von bauwirtschaftlich begründeten Nachtragsangeboten"


Hierbei werden gleich zwei Abgrenzungen vorgenommen. Zum einen werden bauwirtschaftlich begründete Nachträge von Sachnachträgen abgegrenzt, zum anderen wird die hierbei beschriebene besondere Leistung lediglich als "Mitwirken" abgegrenzt. Eine "Prüfung" der Nachträge steht damit noch immer aus.


Es können somit grundsätzlich "Sachnachträge" von "bauwirtschaftlichen Nachträgen" abgegrenzt werden, und ferner die "Prüfung" von der Leistung "Mitwirken".


Nachtragsarten

1) Sachnachträge

Sowohl in BGB als auch VOB/B sind Anspruchsgrundlagen für Sachnachträge enthalten. Ein Sachnachtrag ist ein Nachtrag, welcher einen absichtlichen oder unabsichtlichen Eingriff in den Gegenstand der materiell vereinbarten Beschaffenheit betrifft, und somit die "Sache" welche herzustellen ändert.


Somit ist eine Soll-Ist Abweichung des Bauinhalts, die eine Modifizierung der Vergütung vorsieht ein Sachnachtrag.


Dieser kann sich allerdings auch auf die Bauumstände auswirken und somit zum Teil bauwirtschaftliche Forderungen auslösen.


2) Bauwirtschaftliche Nachträge

Sowohl BGB als auch VOB/B Verträge sehen einen Ausgleich für entstandene Kosten aus Bauumständen vor. Ein bauwirtschaftlicher Nachtrag zeichnet sich durch die geänderten Bauumstände aus.


Eine Soll-Ist Abweichung der Bauumstände, welche oftmals mit Behinderungs- und Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen einhergehen, werden als bauwirtschaftliche Nachträge bezeichnet.



Verantwortlichkeiten

1) Mitwirken gem. AHO

Der beauftragte Projektsteuerer fasst die genannten Teilleistungen in Zusammenarbeit mit anderen Projektbeteiligten inhaltlich abschließend zusammen und übermittelt diese mit einer eigenen Bewertung dem Auftraggeber zur Entscheidung.


2) Prüfen gem. AHO

Eine umfassende inhaltliche Prüfung auf Vertragskonformität und Richtigkeit. Entsprechende Unterlagen sind mit einem Prüfvermerk zu versehen und vom Bearbeiter zu unterzeichnen. Die Prüfung der Rechnungen der Planungsbeteiligten und der sonstigen freiberuflichen Tätigen umfasst eine entsprechende inhaltliche Kontrolle.

Die Begrifflichkeit gibt Aufschluss über das Bearbeitungssoll der zu beauftragenden Leistung. Diese ist bereits schon in der Erstellung der Leistungsbilder für zusätzliche Fachplaner zu beachten.


Beauftragungsstrategie

Grundsätzlich lässt sich pauschal keine "richtige" oder "falsche" Beauftragungsstrategie für alle Baumaßnahmen in gleicher Art empfehlen. Die jeweiligen Konstellationen sind ausschlaggebend in welchen Bereichen Schwerpunkte gesetzt werden müssen.


Grundsätzlich lässt sich in der Abgrenzung jedoch feststellen, dass für bauwirtschaftlich begründete Nachträge bereits das "Mitwirken" durch den Architekten eine besondere Leistung darstellt. Hierin ist noch keine "Prüfung" der bauwirtschaftlich begründeten Nachträge umfasst.


Es empfiehlt sich, bereits zu einem frühen Planungsstadium und in jedem Fall ausschreibungsbegleitend ein "Anti"Claim-Management mit einzubinden, um den Schwierigkeiten in der Ausführung "zuvor" zu kommen.


Je nach Größe und Komplexität können folgende Varianten in Frage kommen:


1) Kein Claim-Management

Es erfolgt weder in Planung noch Ausschreibung eine zusätzliche Fachplanungsleistung des Claim-Managements. Bauwirtschaftlich begründete Nachträge werden auf "Kulanz" durch den Architekten mit bearbeitet.


Chancen

+ Kostensparend bei kleinen oder keinen NA's


Risiken

- "Adhoc" Beauftragung von Fachplanern erforderlich, sofern der beauftragte Architekt die Bearbeitung ablehnt

- Bei Vergabesummen über dem Schwellenwert muss Vergaberecht eingehalten werden und mit einer weiteren Verzögerung von ca. 3-6 Kalendermonaten bis zur Beauftragung gerechnet werden

- Geringe bauwirtschaftliche und baurechtliche Fachkompetenz der Architekten im allgemeinen im Umgang mit bauwirtschaftlichen Nachträgen

- Folgeverschiebungen durch Verzögerungen durch "falschen" Umgang in gestörten Bauabläufen

- Schadensersatzausfall durch fehlende Revisionssicherheit und Durchstellfähigkeit



2) Späte Einbindung

Zur Abwehr von bauwirtschaftlich begründeten Nachträgen wird ein Sachverständiger mit der "Prüfleistung" und der Architekt mit dem "Mitwirken" hierzu beauftragt.



3) Frühe Einbindung

Es werden planungsbegleitend zur LPH 06 die Sachverständigen eingebunden und beauftragt um präventiv die Ausschreibungsinhalte noch in der Art zu optimieren, dass diese sich schadensminimierend in der Ausführung auswirken.




80 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page